Hat man sein Leben lang gearbeitet und finanziell für die Zeit danach vorgesorgt, kann man die letzten Tage und Wochen kaum noch abwarten. Sich endlich nur noch mit Dingen beschäftigen, die nichts mit dem Job zu tun haben.
Vor diesem Schritt steht jetzt auch eine Polizistin aus Gelsenkirchen, wie der Spiegel berichtete.
Bei Rentenantritt 1.200 Überstunden
Sie arbeitete in der Position der ersten Kriminalhauptkommissarin und hatte vor, am 1. März in Pension zu gehen. Es gibt nur ein Problem bei der Sache: sie hat während ihrer Einsätze für das Bundesland Nordrhein-Westfalen rund 1.200 Überstunden aufgebaut.
Deswegen hatte sie sich mit einem Brief an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gewandt und darin gebeten, dass ihre Dienstzeit verlängert wird oder die Stunden ausbezahlt werden.
Doch dieser Bitte kam Reul nicht nach, im Gegenteil. Laut der Ansage des Politikers soll die Beamtin ihre Überstunden verfallen lassen und in keiner Weise für die angehäuften Stunden vergütet werden.
Die Polizistin hatte von 2015 bis 2018 etwa 1.700 Überstunden angesammelt und da es Polizisten nur erlaubt ist, 480 Überstunden ausbezahlt zu bekommen, baute sie seit Januar 2019 ihre Mehrarbeitszeit ab.
Bis zu ihrem Renteneinstieg wird das aber nicht reichen, am 1. März werden noch etwa 1.200 Überstunden übrig sein.
Zwar schrieb der Innenminister in seiner Antwort, dass der Vorgang der Kriminalhauptkommissarin überprüft werde, es aus rechtlicher Sicht aber nicht erlaubt sei, ihre die Stunden gutzuschreiben.
Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Berufsverbands Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), äußerte sich kritisch zu der Entscheidung Reuls:
„Hochgerechnet hat die Polizistin ungefähr sieben Monate mehr für das Land gearbeitet und soll jetzt nicht dafür entlohnt werden? Ich halte das für skandalös.“
Innenminister hält sich nicht an Versprechungen
Er verwies darauf, dass der Innenminister zu Beginn seiner Amtszeit versprochen habe, dass bei der Polizei in NRW keine Stunde verfallen werde.
„Dieses Versprechen muss er auch einhalten, sonst ist das ein fatales Signal für die Polizei.“
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte im vergangenen Jahr schon die Arbeitszeiten von Polizisten und Polizistinnen kritisiert.
Im Jahr 2018 sollen sich dadurch mehr als 22 Millionen Überstunden angesammelt haben und obwohl neue Stellen geschaffen wurden, blieb die Zahl der Mehrarbeit auf einem Rekordniveau.
Als Gründe für die Hohe Anzahl von Überstunden werden vor allem Dauereinsätze bei polizeilichen Großlagen, wie etwa Demonstrationen, Kundgebungen oder Einsätze an Fußball-Wochenenden genannt.
Das weiß auch Fiedler:
„Enorme Überstundenberge sind kein Einzelfall. Besonders die Einsatzhundertschaften, die Spezialeinheiten und die Kriminalpolizei sind seit Jahren überproportional betroffen.“
Die betroffene Hauptkommissarin habe während ihrer Karriere unter anderem bei Tötungs- und Sexualdelikten sowie im Bereich Islamismus ermittelt. Einem Bereich, in dem ein pünktlicher Feierabend eher selten ist.
„Hätten sich die Polizistin und andere Polizisten geweigert, die Überstunden abzuleisten, wäre die Kriminalitätsbekämpfung in NRW in den vergangenen Jahren kollabiert.“
Eine fürchterliche Vorstellung, für Arbeit, die man gewissenhaft erledigt hat, nicht entlohnt zu werden.
Man kann nur hoffen, dass sich die Hauptkommissarin und das Land NRW noch einigen können.