Italien: Bereits seit Beginn der Pandemie wurde von allen Seiten der Politik, Gesundheit und Sozialforschung davor gewarnt, dass ein Kollaps der Gesundheitssysteme das Schlimmste sei, was passieren könnte.
Mit steigenden Intensivpatientenzahlen nur einer begrenzten Anzahl an Intensiv-Betten und medizinischem Personal stehen die Systeme überall in schwer betroffenen Gebieten vor ihrer maximalen Auslastungsgrenze.
Vor allem die Pflegekräfte und das ärztliche Personal muss Doppelschichten schieben, sich in erster Linie dem Virus aussetzen und dagegen kämpfen, dass nicht noch mehr Menschen sterben.
Viele Stationen sind der Überlastung nahe und brauchen Unterstützung. Aus Italien taucht nun allerdings ein grausamer Verdacht auf.
Ein Chefarzt soll seine Klinik entlasten wollen und soll laut der Staatsanwaltschaft dafür Covid-Patienten gezielt totgespritzt haben.
Der Chefarzt und seine Kollegen weisen die Vorwürfe vehement zurück.
Chefarzt soll Covid-Patienten totgespritzt haben
Es war ein Schreck im Krankenhaus von Montichiari in der Lombardei, als plötzlich Polizisten den Chefarzt der Klinik, Carlo M., festnahmen.
Laut der Staatsanwaltschaft soll der 47-jährige Oberarzt bewusst mehrere Patienten totgespritzt haben, damit er Platz auf den Intensiv-Betten schafft und seine Klinik entlasten kann.
Ihm wird zweifacher Mord vorgeworfen, nachdem zwei seiner mutmaßlichen Opfer nach ihrem Tod untersucht wurden. Dabei wurde bei den Männern festgestellt, dass sie das muskellähmende Medikament Succinylcholin und das Narkosemittel Propofol verabreicht bekommen hatten.
Diese Medikamente sind eigentlich für den Fall, wenn Patienten intubiert werden. Wer nicht intubiert wird, stirbt durch diese Spritzen.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass zwei im März verstorbene Patienten des Chefarztes, ohne je intubiert worden zu sein.
Laut ersten Ermittlungen wurden die beiden Medikamente nicht mal in den Patientenakten der verstorbenen Covid-Patienten aufgeführt.
Durch die aktuelle Faktenlage wurde Carlo M. umgehend vom Dienst suspendiert und steht unter Hausarrest, da die Staatsanwaltschaft eine Wiederholungsgefahr sieht und noch weitere Todesfälle in diesem Zusammenhang prüft.
Kollegen widersprechen vehement
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind darauf ausgerichtet, dass der Chefarzt all dies tat, um die hohe Belastung in der Pandemie von seinen Ärzten und Pflegekärften zu nehmen.
Im Frühjahr 2020 war in der Region die Hochzeit der Kliniküberlastung. Krankenwagen standen an der Notaufnahme Schlange. Intensiv-Betten waren vollständig besetzt.
Laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA liegen den Ermittlungen auch Chatverläufe von Pflegepersonal aus der Klinik vor.
Ein Pfleger schrieb: „Ich töte keine Patienten, nur um ein paar Betten freizubekommen.“
Daraufhin antwortete sein Kollege: „Das ist verrückt.“
Der Chefarzt selbst nennt die Vorwürfe „haltlos“ und will klar Stellung beziehen. Er selbst habe immer sein bestes gegeben und habe sich nie geschont, um so viele Leben wie möglich zu retten.
Ihn machen die Vorwürfe zwar „traurig und erstaunt“, aber er gehe auch „gelassen“ ran, da er weiß, er habe immer sein Bestes gegeben.
Gegenüber lokalen Medien äußern sich auch Kollegen des Chefarztes und stehen ihm bei. Sie seien entsetzt über die Vorwürfe und es gäbe mehrere logische Theorien, die die Beweise der Staatsanwaltschaft erklären würden.
Beispielsweise könne die Inkubation vorbereitet geworden sein, ehe sich der Zustand der Patienten zu stark verschlimmerte.
Andere vermuten, dass der Chefarzt seinen Patienten die letzten Minuten ihres Lebens erleichtern wollte und sie so betäubte, um das Gefühl der Erstickung zu hemmen.
„Wir sind sicher, dass er diese Medikamente bei Patienten verabreicht hat, die keine Stunde mehr zu leben hatten“, gab ein Kollege gegenüber der Corriere della Sera an.
Nun bleibt abzuwarten, welche Hintergründe zu den Vorwürfen ans Licht kommen.
Unser Beileid und Mitgefühl gelten allen Familien und Freunden von Opfern der aktuellen Pandemie.
Außerdem möchten wir daran erinnern, welche enorme Last Ärzte und Pflegekräfte ertragen müssen.